Hee Sook Kim, Galerie Böhner 25.6.2016

Dr. Helmut Orpel

Kunst aus derRepublik Korea hat im Programm der Galerie Böhner schon lange einen festenPlatz. Wobei es heute generell schwer ist, von der Kunst eines Landes zusprechen, denn Kunst ist heute zu einer internationalen Bewegung geworden undauch Südkorea ist offen für Impulse aus aller Welt. Aber es ist dennochinteressant zu beobachten, wie sich doch verschiedene kulturell geprägteEigenheiten herausbilden. Vor einigen Jahren bereits gab es in der GalerieBöhner eine Ausstellung mit mehreren koreanischen Künstlerinnen und Künstlernund in der Folge davon immer wieder einzelne Exponate, welche die erstaunlicheVielfalt des Kunstlebens in diesem uns doch sehr fernen Land zeigen. Auffälligist bei diesen Werken, dass in ihnen oft Tradition und Experimentierfreudezusammenfließen. Zum einen wird deutlich, wie gerne sich koreanischeKünstlerinnen und Künstler auf die unterschiedlichsten Strömungen der Pop-Arteinlassen und wie individuell sie sich deren Ausdrucksmittel und Möglichkeitenfür ihr eigenes Schaffen zu Nutze machen. Zum anderen fällt die Sorgfalt auf,mit der sie ihre Werke aufbauen. Ganz im Sinne aktueller InternationalerStrömungen der Pop-Art, wie der Street Art zum Beispiel, bei denen es imwörtlichen Sinne darum geht, Kunst populär zu machen, erscheinendruckgraphische Techniken als ästhetische Ausdrucksmittel, dieAugenblickserlebnisse bildmächtig werden lassen.

Hee Sook Kimgehört zu den Künstlern, die sehr unmittelbar und direkt westliche Kunststudieren konnten. Die Künstlerin wurde 1960 in der Republik Korea geboren.Nach ihrem Kunststudium in Seoul wanderte sie in die USA aus, wo sie heute lebtund arbeitet.

Dieses Lebenzwischen unterschiedlichen Kulturen ist für Hee Sook Kim auch künstlerischoffenbar sehr reizvoll. Dadurch dass sie an einem renommierten Institut, dem HaverfordCollege in Philadelphia, lehrt, ist sie auch ständig in Kontakt mit den jungenMenschen, die in der Kunst ihren Weg suchen, was natürlich sehr anregend ist. IhrSchwerpunkt am Institut liegt auf den graphischen Techniken, wie der Radierungund dem Fine Art Print, sowie verschiedener Mischformen, wie Sie sie auch hierin der Galerie bewundern können. Gerade dieser Bereich des künstlerischenSchaffens ist es, der von den Studierenden heute offenbar als sehr innovativempfunden wird.

Mit ihrer Kunstfand Hee Sook Kim rasch international Anerkennung. Dies belegen nicht zuletztdie angesehenen Kunstpreise, die sie bisher erhalten hat.

So wurde sie vonder Pollok-Krasner Foundation, der State Foundation for Culture and Art inHilo, Hawaii, und dem Central Pensilvenian Festival of Art mit begehrten Awardsausgezeichnet. Auch auf dem internationalen Kunstmarkt konnte sich Hee Sook Kimrasch etablieren.

Neben zahlreichenGalerien in verschiedenen US-Bundesstaaten, in Seoul und in der Thaipeh, derHauptstadt Taiwans, waren ihre Arbeiten in verschiedenen Metropolen Europas zusehen, so in Berlin, Barcelona und Bologna.

Kunst ist in ihremWerk zu einer international verständlichen Sprache geworden, die daraufaufbaut, dass der moderne Mensch Bilder heute nicht mehr so wahrnimmt wie dieGenerationen vergangener Epochen. Der Mensch verweilt nicht mehr vor einemBild, sondern erlebt es im Vorbeigehen. Deshalb ist auch die Komposition dieserWerke auf einen raschen Blick hin konzipiert, der erst durch musterartigeStrukturen, die von der visuellen Alltagserfahrung abweichen, „eingefangen“werden muss.  Gelingt dies, ist esmöglich, den Betrachter zu fesseln und immer tiefer in die Bildräumehineinzuziehen, die sich ihm nach und nach öffnen.

Anhand der hierausgestellten kleinen Werkauswahl aus dem Schaffen der Künstlerin können Siedas eben Gesagte selbst nachvollziehen. Zunächst spricht dabei die bezaubernde Ästhetik an. Die Bildpoesie dertraditionellen asiatischen Druckgraphik mit ihren Kranichen undBerglandschaften scheint hier mit der schillernden, glitzernden westlichen Weltzusammengewachsen zu sein. Wie die Biographie der Künstlerin unterschiedlicheLebensräume umspannt, umspannen ihre Arbeiten unterschiedlicheKunsttraditionen, die sich irgendwie organisch zu verbinden scheinen.

In ihrem Schaffenfallen Malerei und Druckgraphik offenbar als unterschiedliche Elemente einesgemeinsamen Ganzen zusammen. Die besondere Ästhetik, die durch den Druckentsteht, wird so mit der Spontaneität der Malerei verschmolzen.

Hee Sook Kim arbeitetsowohl mit Schablonendruck als auch mit Monotypien, wodurch sie bestimmtetradierte Muster auf die Malfläche überträgt.

Hier in derAusstellung finden Sie neben den Unikaten und den Fine Art Prints auch einigeRadierungen, wo sie die Sorgfalt der Künstlerin studieren können, die siesowohl beim Material als auch bei der technischen Ausführung walten lässt.

Ein besonderes Kriterium,das für die Arbeiten der Künstlerin charakteristisch zu sein scheint, ist dieoptische, zauberhafte Farbigkeit, die durch bunte Strassteine zusätzlichgesteigert wird. Obwohl im Sinne von Mustern immer wieder Figuren auftauchen,ist Hee Sook Kim keine figurative Malerin, denn die Figuren sind hier ähnlichden Farbflächen oder abstrakten Zeichen dem atmosphärischen Eindruckuntergeordnet, der vom Bild ausgeht. Auf diese Weise entstehen Kraftzentren imRaum: „Kraftzentren, die Gefühl und Gedankenwelt organisch miteinanderverbinden“, wie es der bekannte New Yorker Kunstkritiker Jonathan Goodman imVorwort zum Katalog „Paradise Between“ treffend ausgedrückt hat.

Dieser Titel – zuDeutsch etwas frei als „Das Paradies im Zwischenraum“ übersetzt, hat dieKünstlerin für einen Zyklus übernommen, den Sie hier in der Galerie sehen undder für das Verständnis ihres Schaffens offenbar grundlegend ist. Die Weltdazwischen, die Zwischenräume also, die sich in Hee Sook Kims Bildern inGestalt der unterschiedlich bearbeiteten Schichten durch spannende Wechselwirkungenentwickeln. Im gleichen Augenblick wie sie entstehen, verschwinden sie auchwieder oder verändern sich je nach äußerem Lichtimpuls. Diese Zwischenräumesind nicht statisch fest verortbar, sondern oszillieren, ganz so wie dieParadiese im realen Leben, die verschwinden, sobald man sie fixieren will.

Der farblichen Reizeder Oberflächen, auf denen die kunstvollen Muster wie chinesische Dschunken zuschweben scheinen, entsteht durch einen tiefschichtigen Bildaufbau, bei demsich die unterschiedlichen Mal- und Bearbeitungssichten durchdringen.

Das Bildgeschehen,das wir zuerst einmal an der Oberfläche wahrnehmen, entwickelt sich aus dem Wechselspielder unterschiedlichen Ebenen heraus. Aus der Verschiedenheit der Muster,Zeichnungen, monochromen Flächen, die sich organisch durchdringen.

Dabei betont dieKünstlerin sehr bewusst die Bruchstellen. Besonders bei ihren Radierungen wirddies offensichtlich. Dort überlagern sich die klassischen asiatischen Motive,wie die Kraniche zum Beispiel, mit überraschenden, fremden Strukturen undentwickeln ein schwer vorhersehbares Eigenleben.

Bildzitate sindgerade typisch für die amerikanische Pop-Art der sechziger Jahre. Künstler wieWarhol, Mel Ramos und Rauschenberg arbeiteten gern mit solchen Bildzitaten, diebeim Betrachter Erwartungshaltungen weckten und durch die Überarbeitung wieder zerstörten.In geradezu ironischer Weise werden hier die asiatischen Klischees zitiert undauf ebensolche Weise verfremdet.

Neben deneindrucksvollen Bildern der Künstlerin erwarten sie hier auch einige Skulpturenvon Dana Pandici. Von ihr kennen wir bisher nur Bilder, bei denen sich aufeindrucksvolle Weise ein realistisches Bildmotiv aus scheinbar zufälligentstandenen Flecken herausentwickelt. Von ganz ähnlicher Wirkung sind dieseSkulpturen hier, die sie aus dem ungewöhnlichen Material Draht geschaffen hat,das sie zu voluminösen Körpern biegt. Volumen und Leere verbinden sich hier zueiner, man kann es nicht anders sagen, gelungenen Illusion.

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